Wir verurteilen den Jenaer Mietenwahnsinn

Ein Nachtrag zum MDR-Bericht (12.11.20) über die militanten Proteste gegen Verdrängung

Am Mittwoch, dem 11. November, gab es in Jena eine militante Spontandemonstration, die sich unter anderem gegen Verdrängung aus der Innenstadt und die investorenorientierte Stadtpolitik Jenas gerichtet hat. Die ca. 50 linken Teilnehmer*innen des „antiautoritären und antifaschistischen Martinsumzuges“ haben dabei laut Medienberichten mehrere Fensterscheiben zerstört, einige Graffitis hinterlassen und Mülltonnen in Brand gesetzt. Die Polizei meldete auch Angriffe auf Polizist*innen und ein beschädigtes Einsatzfahrzeug.

In einem entsprechenden Aufruf (in Auszügen nachzulesen bei libertad-media) zu der Aktion kritisieren die Autor*innen die „Zerstörung von soziokulturellen und alternativen Orten“ und die neoliberale Stadtpolitik. Beides Themen, die wir als Recht auf Stadt Jena seit vielen Jahren immer wieder auf die Tagesordnung der Lokalpolitik setzen. Vor diesem Hintergrund hat uns das MDR am Tag nach der Aktion um ein Pressestatement zum Thema Gentrifizierung und Verdrängung in Jena gebeten. Wir haben zugesagt mit dem Ziel, den öffentlichen Fokus auf den Inhalt der Proteste zu lenken, statt über die Legitimität der Protestform selbst zu diskutieren. Vom gestrigen Thüringen Journal Beitrag „Gewalt bei Protesten gegen höhere Mieten in Jena“ sind wir dahingehend jedoch enttäuscht worden.

Zum einen, da unsere im Interview ausführlich dargestellte Kritik an den laufenden Verdrängungsprozessen und der Mietpreisentwicklung in Jena – einer der teuersten Städte Ostdeutschlands – kaum Raum bekommt. Dass sich in der Boomtown an der Saale ein durchschnittlicher Haushalt kaum noch Neubaumieten leisten kann, wird ebenso wenig erwähnt wie die Tatsache, dass die Mietbelastungsqoute bei immer mehr Menschen die 30%-Hürde überschreitet und damit laut EU-Richtlinien und Wissenschaft ein eindeutiges Armutsrisiko darstellt. All dies gehört mit oberster Priorität in die aktuelle Diskussion, kommt aber viel zu kurz.

Zum anderen wurden wir für eine Ausrichtung des Beitrags in Szene gesetzt, die wir nicht unterstützen. Der Beitrag legt uns eine „Verurteilung der Gewalt“ in den Mund, die wir so nie geäußert haben und in einem Bericht über die Probleme der Jenaer Stadtentwicklung – so wurde uns der Bericht angekündigt – schlicht für fehl am Platz halten.

Als Recht auf Stadt Jena verurteilen wir die steigenden Mieten in der Stadt, die Missachtung unseres Rechts auf Wohnen, Verdrängung von alternativen Jugendlichen aus einer immer kommerzieller werdenden Innenstadt, Entmietungen, Zwangsräumungen und die dahinterstehende Politik.

Als wohnungspolitisches Netzwerk haben wir in den vergangenen Jahren unseren Unmut darüber auf vielfältige Weise zum Ausdruck gebracht: bei den Thüringer Mietparaden, als Unterstützer*innen von Bürgerinitiativen, wie der „Bürgerinitiative für soziales Wohnen in Jena“ aus Lobeda, durch Beratung von Mieter*innen, Infoständen und Teilnahmen an bundesweiten Aktionstagen. Mit Pflastersteinen durch die Innenstadt zu ziehen entspricht also sicherlich nicht unserer Wahl der Mittel. Aber wir sehen uns nicht in der Position, den Protest vom Mittwoch Abend einfach nur öffentlich als „neue Qualität der Gewalt“ zu verurteilen, wie es Ordnungsbehörden, CDU und AFD nun tun. Wir halten es für sinnvoller, öffentlich die Frage zu stellen, warum Menschen überhaupt zu solchen Mitteln greifen. Woher kommt die Wut und die Unzufriedenheit mit der Situation in der Stadt?

Als Aktivist*innen für das „Recht auf Stadt“ sind wir davon überzeugt, dass sich soziale Probleme genauso wenig wie der politischen Unmut, den sie hervorbringen, mit ordnungspolitischen Mitteln bekämpfen lassen. Um Verdrängung und immer unbezahlbarer werdende Mieten in Thüringer Großstädten in den Griff zu bekommen, braucht es einen radikalen Kurswechsel in der Stadt- und Wohnungspolitik und vor allem eine gesellschaftliche Debatte.

Lasst uns also darüber reden, warum der Markt nicht in der Lage ist, unser Grundrecht auf Wohnen zu garantieren, warum Wohnraum keine Ware sein sollte und wie wir in unseren Städten miteinander leben wollen.

„Wer im Glashaus sitzt…“ – Kommentar zur Debatte um Rekommunalisierung und Enteignung

Die Forderung nach Vergesellschaftung von Wohnraum bekommt immer mehr Zuspruch. Hier auf der Thüringer Mietparade in Jena (12. Mai 2019).

Frank Emrich – Direktor des größten Lobbyverbands der Wohnungsunternehmen im Freistaat (genannt Verband Thüringer Wohnungswirtschaft) – zeigt sich vor den anstehenden Kommunalwahlen besonders umtriebig. Nachdem er jüngst ernsthaft behauptete, dass es bei den Mietpreisen in Thüringen noch viel „Spielraum nach oben“ gebe, legte er per Pressemitteilung nun nach. Er sieht einen „linken Wohnungspopulismus“ am Werke, dessen Rhetorik zur „Zerreißprobe“ der Gesellschaft werde.

Gemeint ist die Forderung nach „Enteignung“ großer Immobilienunternehmen, die in der Bevölkerung immer mehr Zustimmung gewinnt. Klar, dass das für jene, die aus Wohnraum Profit schlagen wollen, ein rotes Tuch ist. Besonders anstößig fand Herr Emrich ein Transparent der Partei Die Linke, welches auf der von uns und anderen Thüringer Mieterinitiativen organisierten Thüringer Mietparade zu sehen war. Auf diesem stand: „KoWo bleibt. Jenawohnen enteignen.“. Auch Jenas unternehmerfreundlicher Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) kommentierte dies voller Empörung.

Selbstverständlich liegt hier ein Missverständnis vor. Enteignet werden sollte nicht jenawohnen, sondern ihr privater Anteilseigner, die Thüga AG. Dafür müsste nicht einmal auf die vom Grundgesetz verbriefte Möglichkeit der Enteignung zurückgegriffen werden, schließlich haben sich die verschiedenen Anteilseigner der jenawohnen GmbH auf die Möglichkeit des Rückkaufs der privatisierten Anteile geeinigt. Hier fände das schnöde private Vertragsrecht seine Anwendung – von dem gerne herbeifantasierten staatlichem Zwang fehlt jede Spur. Inwiefern dies die Gesellschaft zerreiße, bleibt daher das Geheimnis von Herr Emrich.

Was dieser ohnehin verschweigt, ist der längst offensichtlich gewordene Umstand, dass diese Gesellschaft schon lange zerrissen ist. Die Schere zwischen Arm und Reich ist keine Erfindung irgendwelcher linker Demagogen, die zur Verfolgung ihres achso niederträchtigen Zieles einer gerechteren Gesellschaft als Wolf im Schafspelz über die Gesellschaft herfallen. Stagnierende Löhne und explodierende Mietpreise sind eine folgenreiche Realität – nicht etwa eine „gefühlte Wirklichkeit“ – eines Großteils der Menschen, die zur Miete wohnen. Von der gähnenden Leere im in ihrem Geldbeutel wussten diese schon, bevor das Schreckgespenst der „Enteignung“ durch die Medien geisterte.

Und überhaupt, wenn Herr Emrich Enteignung unbedingt skandalisieren möchte, sollte er zunächst einmal vor der eigenen Haustür kehren. Woher kommen denn die riesigen Gewinne, die Immobilienunternehmen seit Jahrzehnten erwirtschaften? Die Spekulation mit Boden und Wohnraum ist ein Geschäft auf Kosten der Mieter*innen, die für unsanierte oder am Bedarf vorbei modernisierte Bestände einen immer größeren Teil ihres Einkommens für das Recht auf Wohnen hergeben müssen. Solch eine schleichende Enteignung von oben eignete sich lange Zeit weniger als Schlagzeile der Titelseiten, stellt aber einen gesellschaftlichen Schaden und Spaltpilz dar, der die Enteignung großer Wohnungsunternehmen bei weitem überwiegt.

Pressemitteilung: Hohe Mieten in Jena sind keine Fantasie!

Foto: Kundgebung gegen #Mietenwahnsinn, Jena 06.04.2019

Mieterinitiativen kritisieren Lobbyismus der Wohnungswirtschaft: Pünktlich zum Auftakt des Thüringer Wahljahres geht die organisierte Wohnungswirtschaft in die Offensive. Interessenvertreter der Wohnungsunternehmen sehen „Wohnungspopulismus“ am Werk und bei den Mietpreisen „Luft nach oben“. Drei Jenaer Mieterinitiativen (Recht auf Stadt, Bürgerinitiative für soziales Wohnen in Jena und Initiative zur Re-Demokratisierung der Jenaer Baugenossenschaft) üben Kritik an einseitiger Darstellung und intransparenter politischer Einflussnahme.

Der Präsident des „Verbandes Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft“ (vtw) Frank Emrich glaubt, dass es „in Thüringen kein Miethöhen- sondern ein Einkommensproblem gebe.“ (TA, 03.05.19). Mehrere Mieterinitiativen aus Jena stimmen ihm zu, dass die Löhne in Thüringen zu niedrig sind und freuen sich bereits auf die Unterstützung des vtw in hiesigen Lohnkämpfen. Steigende Löhne seien aber nur im Interesse der Mietenden, wenn sie selbst davon etwas haben und nicht jede Lohnerhöhung sofort wieder an die Wohnungseigentümer weiter geben müssen.

Dass die Mietbelastung in Thüringen und besonders in Jena zu hoch ist, bestätigt der neulich erschienene Thüringer Wohnungsmarktbericht: Haushalte in den Thüringer Großstädten sind aktuell gezwungen im Durchschnitt 30 % ihres verfügbaren Einkommens für das Grundrecht Wohnen auszugeben. Bei Geringverdienern ist diese sogenannte Mietbelastungsquote in der Regel sogar deutlich höher (in Extremfällen über 50 %). Frank Emrich sieht darin keine Überbelastung: „Das ist nicht überbeansprucht“, sagte er der Thüringer Allgemeinen. Bei den „Miethöhen in Thüringen“ bestünde im Gegenteil „Spielraum nach oben“. VertreterInnen von Mieterinteressen zeigten sich indes fassungslos:

„Wir sind uns uneins, wo sich Herr Emrich in den letzten Jahren aufgehalten hat, in den Thüringer Großstädten jedenfalls ganz sicher nicht. Das Überschreiten der 30%-Hürde bei der Mietbelastung stellt laut EU-Definition und Wissenschaft ein eindeutiges Armutsrisiko dar.“, so Marcel Weikert vom Netzwerk Recht auf Stadt Jena.

Auch zeigt sich Frank Emrich besorgt über einen „wachsenden Wohnungspopulismus“, der „von Polemik und Unwahrheiten geprägt“ sei. Der Populismusvorwurf aus Richtung der organisierten Wohnungswirtschaft sei eine mittlerweile bekannte Strategie der Deligitimierung von sozialen Bewegungen und MieterInneninitiativen, führt Georg Enzmann, Mitglied der Bürgerinitiative für soziales Wohnen in Jena, aus. Nicht nur der Wohnungsbericht, herausgegeben vom Land Thüringen und wissenschaftliche Studien würden den Mangel an sozialen Wohnraum in Thüringen belegen; die Wohnungskrise sei im Alltag Tausender MieterInnen, in Stadt und Land, praktisch erlebbar: hohe Mieten, erzwungenes Sparen in anderen Lebensbereichen, Wegzug aus der bekannten Nachbarschaft, keine Chance, die passende Wohnung zu finden.

Teil des neu gegründeten Arbeitskreises sind u.a. Karsten Völkel (Vorstand der Jenaer Baugenossenschaften), als Sprecher und sein Stellvertreter Gunnar Poschmann (Jenawohnen). Tamara Schindler von der Bürgerinitiative sieht den Grund für den neuen Arbeitskreis zum Einen in dem Zeitpunkt und zum Anderen in dem stärkeren Druck von organisierten MieterInnen:

„Enteignung ist mittlerweile kein Unwort mehr, sondern findet ein breites Spektrum an BefürworterInnen. Diese Entwicklung löst bei großen Wohnungsunternehmen erwartungsgemäß Panik aus. Und das ist auch gut so. Mit unserer Forderung, Jenawohnen zu rekommunalisieren, geht es ans Eingemachte, d.h. an die Profite, die aus Wohnraum geschlagen werden“.

Irritiert zeigten sich Vertreter der Initiative zur Re-Demokratisierung der Jenaer Baugenossenschaft: „Uns verwundert insbesondere auch die starke Beteiligung von Genossenschaften innerhalb des neu gegründeten Arbeitskreises“, so Katharina Kraushaar.

„Die Mitgliedschaft von Jenawohnen in einem Lobbyverband der Wohnungsunternehmen überrascht mich nicht. Hier steht die Rekommunalisierung und Demokratisierung noch aus. Genossenschaften hingegen gehören immer noch den Mitgliedern. Die Vorstände der Genossenschaften haben daher nicht die Aufgabe, die Interessen privater Unternehmer zu vertreten. Als Angestellte der Genossenschaft haben sie vielmehr auf die Versorgung der Genossenschaftsmitglieder mit gutem und günstigem Wohnraum hinzuwirken. Die von Herrn Völkel erwähnten Debatten um die Eichplatzbebauung und die Rekommunalisierung von Jenawohnen stehen damit in keinem erkennbaren Zusammenhang. Diese Prozesse sollten der demokratischen Meinungsbildung innerhalb der Jenaer Bürgerschaft überlassen bleiben.“, so Kraushaar weiter.

Der Versuch durch den neu gegründeten Arbeitskreis die kommunale Wohnungspolitik im Sinne wohnungswirtschaftlicher Interessen zu beeinflussen sei überflüssig, da diese schon seit Jahren in die „AG Wohnungswirtschaft“ erfolgreich eingebracht würden, so alle drei Mieterinitiativen im Einklang. Doch auch diese vernetzen sich und schaffen Orte der Auseinandersetzung. So findet diese Woche (12.05) die Zweite Thüringer Mietparade statt, eine Demonstration von und für MieterInnen, gefolgt von einem Stadt-für-Alle-Fest, bei dem sich verschiedenste Initiativen vorstellen. Evelyn Strauch von dem Organisations-Bündnis erklärt:

„Mit der Mietparade wollen wir – Gruppen aus Weimar, Jena und Erfurt und darüber hinaus – den Interessen und Bedürfnissen der MieterInnen mehr Gehör verschaffen,denn diese kommen im Gegensatz zu jenen der Wohnungsunternehmen trotz kleiner Schritte in die richtige Richtung weiterhin systematisch zu kurz. Am 12.05. werden wir in Jena zeigen, dass wir viele und bereit sind, für unser Recht auf Wohnen einzustehen“.

Weitere Informationen:

www.thueringer-mietpara.de
rechtaufstadtjena.noblogs.org
sozialeswohneninjena.wordpress.com


					

12. Mai 2019: Nach der Mietparade feiern wir ein Fest!

2. Thüringer Mietparade | 12. Mai 2019 | Start: 12 Uhr Spittelplatz (Jena)

Stadt für ALLE – Fest | 12. Mai 2019 | ab 15 Uhr in der Johannisstraße (Jena)

Im Anschluss an unsere gemeinsame Demonstration am 12. Mai in Jena wollen wir im Zentrum der Stadt einen Ort der Vernetzung und Austausch schaffen. Bei hoffentlich sommerlicher Straßenfest-Atmosphäre wollen wir Kraft tanken und Kräfte bündeln. Denn für den Kampf gegen Mietenwahnsinn und Verdrängung in Thüringen brauchen wir noch einen langen Atem.

Für Kinderspielzeug, Hüpfburg, Speis und Trank, sowie den ein oder anderen kulturellen und musikalischen Beitrag ist gesorgt. Wir laden außerdem selbstorganisierte, politische und soziokulturelle Initiativen ein, sich mit einem Infostand oder Diskussionsangebot am Fest zu beteiligen!

Kommt nach der Mietparade zum Stadt für ALLE – Fest! 

Wir wollen in Städten leben, die sich an den Bedürfnissen ihrer Bewohner*innen orientieren, nicht an Profit und Investor*innen. Wir wollen Städte, in denen alle Menschen selbstbestimmt wohnen, leben und bleiben können – unabhängig von Aufenthaltstitel, Einkommen und Lebenslage.

Aufruf zur Thüringer Mietparade

Den Aufruf, Pressespiegel, Unterstützer*innen und alle weitern Infos zur 2. Thüringer Mietparade gibts auf www.thueringer-mietpara.de

In Thüringer Städten herrscht eine Wohnungskrise. Wir bekommen sie täglich zu spüren. Die Mieten steigen unaufhörlich und Verdrängung durch Modernisierungsmaßnahmen ist traurige Normalität. Viele leben mit der Angst, sich die eigene Wohnung bald nicht mehr leisten zu können. Immer mehr von unseren Einkommen geht für das Wohnen drauf – bei Geringverdienenden sind es oft deutlich über 30%. Zur Miete zu wohnen wird so zunehmend zum Armutsrisiko.

Und die Situation spitzt sich zu: Statt sozialen Wohnungsbau zu sichern und voranzutreiben, werden durch neue Luxuswohnungen die Mietpreise immer weiter in die Höhe getrieben. In Jena kann sich ein Haushalt mit durchschnittlichem Einkommen inzwischen 90% der Neubauten nicht leisten. Auch in Weimar und Erfurt ist ein bezahlbares Zuhause kaum noch zu finden. Von Rassismus und Diskriminierung Betroffene haben es bei der Wohnungssuche besonders schwer.

Keine Profite mit unserer Miete!

Was Mieter*innen derzeit in Thüringen erleben, ist die Kehrseite einer als „Immobilienboom“ gefeierten Entwicklung. Die Politik hat hierfür jahrelang die Rahmenbedingung geschaffen. Wohnraum wird zur Ware gemacht, Spekulation Tür und Tor geöffnet, Investor*innen der rote Teppich ausgerollt. Eine gute, bezahlbare und solidarische Wohnraumversorgung wird so unmöglich. Auch unkommerzielle Soziokultur und Kleingewerbe werden von der zunehmend unternehmerischen Stadtentwicklung verdrängt.

Unsere Städte sind zu Wirtschaftsstandorten, unsere Wohnungen zu Betongold geworden. Für einige Wenige bringt das wachsenden Profit. Für die Mehrheit der Stadtbewohner*innen bedeutet das jedoch: Mietenwahnsinn und Verdrängung. Wir, Beschäftigte mit geringem und mittlerem Einkommen, Auszubildende, Studierende, Alleinerziehende und Großfamilien, Rentner*innen, Geflüchtete, Migrant*innen und Erwerbslose sind die Betroffenen der kapitalistischen Wohnungskrise. Deswegen schließen wir uns zusammen und gehen am 12. Mai in Jena zur 2. Thüringer Mietparade auf die Straße.

Für einen radikalen Kurswechsel in der Stadt- und Wohnungspolitik!

Bereits seit Jahren regt sich Widerstand von unten gegen die neoliberale Wohnungspolitik von Bund, Ländern und Kommunen. Allein im letzten Jahr beteiligten sich bundesweit zehntausende Menschen an Demonstrationen von Mieter*inneninitiativen. Auch in Thüringen gab es Proteste. Anlässlich der Immobilienmesse in Jena und wenig später zur ersten Thüringer Mietparade in Erfurt gingen im Frühjahr 2018 Hunderte auf die Straße. Daran wollen wir in diesem Jahr anknüpfen und den Druck auf der Straße für eine soziale Wende in der Wohnraumpolitik erhöhen. Gerade jetzt – im Jahr der Landtags- und Kommunalwahlen – fordern wir die Politik auf, endlich im Sinne des Gemeinwohls zu handeln und das Menschenrecht auf Wohnen zu garantieren.

Wir wollen in Städten leben, die sich an den Bedürfnissen ihrer Bewohner*innen orientieren, nicht an Profit und Investor*innen. Wir wollen Städte, in denen alle Menschen selbstbestimmt wohnen, leben und bleiben können – unabhängig von Aufenthaltstitel, Einkommen und Lebenslage. Wir wollen Städte für ALLE!

Wir fordern Städte für ALLE:

1. Runter mit der Miete!

Wir fordern gesetzliche Obergrenzen für Mietpreise in ganz Thüringen und darüber hinaus. Diese sollen sich nach sozialverträglichen Maßstäben richten.

2. Neue Wohngemeinnützigkeit!

Wir fordern die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit als Alternative zur renditeorientierten Wohnungswirtschaft.

3. Sozialen Wohnungsbau deutlich ausweiten!

Marktförmige Wohnraumversorgung und Eigentumsförderung kommen nur Besserverdienenden und Vermögenden zugute. Der Bestand an Sozialwohnungen schrumpft drastisch. Wir fordern deswegen auf Dauer gebundenen sozialen Wohnungsbau und die Ausweitung von sozialem Wohnraum im Bestand.

4. Rekommunalisierung und Demokratisierung!

Kommunen müssen wieder handlungsfähig in der Wohnraumversorgung werden. Dafür fordern wir den Rückkauf ehemals kommunaler Wohnungsbestände. Darüber hinaus fordern wir deutlich mehr Mitbestimmungsrechte für Mieter*innen in sämtlichen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften.

5. Keine Verdrängung durch Modernisierung!

Die Umlage der Modernisierungskosten auf die Miete (§559 BGB) muss abgeschafft werden. Wir fordern guten, energetischen sowie ausreichend altersgerechten und barrierefreien Wohnraum, aber: Keine Modernisierung auf Kosten der Mieter*innen!

6. Leerstand beenden! Zwangsräumungen verhindern!

Es kann nicht sein, dass Wohnungen leer stehen, während Menschen auf die Straße gesetzt werden. Wir fordern die Vermietung und soziokulturelle Nutzung von Leerstand und die Duldung von Instandbesetzungen sowie einen wirksamen Räumungsschutz für Mieter*innen.

7. Sozialgerechte Bodenvergabe einführen!

Wir fordern, dass der Ausverkauf unserer Städte gestoppt und der Neuerwerb von Boden durch die öffentliche Hand gestärkt wird. Öffentliche Liegenschaften sollen nicht meistbietend verkauft werden, sondern für sozialen und bezahlbaren Wohnraum sowie für Hausprojekte und andere solidarische Wohnformen zur Verfügung stehen.

8. Solidarität statt Ausgrenzung!

Wir fordern solidarische Städte, aus denen kein Mensch abgeschoben wird, in denen sich alle frei und ohne Angst bewegen können. Ein gleichberechtigter Zugang zu bezahlbarem Wohnraum, sowie das Recht zu Bleiben soll allen Menschen garantiert werden. Mit diesem Ziel fordern wir auch die Einrichtung einer unabhängigen Antidiskriminierungsstelle in Thüringen.

9. Sichere Häfen – Städte der Zuflucht!

Thüringer Städte sollen „sichere Häfen“ sein und sich zur direkten Aufnahme und Unterbringung von aus Seenot geretteten Menschen bereit erklären – über die Verteilungsquote von Schutzsuchenden hinaus. Wir fordern den Einsatz der Kommunen gegenüber Bund und Land für eine legale Aufnahme von Flüchtenden und die Entkriminalisierung von Seenotrettung.

10. Mehr soziale Infrastruktur und Mobilität im ländlichen Thüringen!

Wir fordern den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und eine bessere Stadt-Land-Anbindung. Besonders im ländlichen Raum muss es ausreichend soziale Infrastruktur, sowie bezahlbare und bedarfsgerechte Mobilitätsangebote geben.

Wir laden ein: 1. Bündnistreffen „Thüringer Mietparade 2019“

Kommt zum thüringenweiten Bündnistreffen für einen wohnungs- & stadtpolitischen Aktionstag in Jena im Mai 2019!

Wann? Mittwoch, 20. Februar | 18 Uhr
Wo? Turmkaffee, Kassablanca (Felsenkellerstraße 13a)
Facebook-Veranstaltung: https://www.facebook.com/events/306100853443834/

Das war die 1. Thüringer Mietparade im April 2018; Foto: Erfurt für Alle

In Jena, Weimar und Erfurt steigen die Mieten und immer mehr Menschen können sich ihre Wohnung nicht mehr leisten. Verdrängung, Wohnungslosigkeit und unbezahlbare Neubauten – deutschlandweit spitzt sich die Wohnungskrise zu. Bezahlbarer Wohnraum ist besonders in Innenstadtnähe kaum noch zu finden, was auch eine Folge von (unverhältnismäßigen) Luxussanierungen ist, die sich nunmal „mehr lohnen“.

Die zunehmend „unternehmerische“ Stadtentwicklung macht eine gute, bezahlbare und solidarische Wohnraumversorgung unmöglich. Auch die Zukunft unkommerzieller Kulturprojekte und selbstverwalteter Räume ist in Gefahr. Die drohende Räumung der „Insel“ und die unklare Zukunft vom Wagenplatz Rad*aue machen dies derzeit besonders deutlich.

Es ist deshalb an der Zeit, ein deutliches Zeichen für eine grundlegend andere Stadt- und Wohnungspolitik zu setzen! Wir wollen Städte, die sich an den Bedürfnissen ihrer BewohnerInnen orientiert – und nicht an Profit und Investor*innen.

Bereits seit Monaten planen bundesweit stadtpolitische Initiativen für das Frühjahr 2019 Aktionstage gegen Mietenwahnsinn und Verdrängung. Wir wollen auch in Thüringen auf diesen Zug aufspringen und mit euch gemeinsam mit den Vorbereitungen für einen Aktionstag im Vorfeld der Kommunalwahlen beginnen:
Unsere Idee ist es, am 12. Mai 2019 in Jena die zweite „Thüringer Mietparade“ zu veranstalten. Anschließend möchten wir mit einem großen und bunten „Stadt für Alle“-Fest den verschiedenen Kämpfen um Wohn- und Kulturräume in thüringer Städten einen gemeinsamen Ausdruck verleihen.

Kommt vorbei oder schreibt uns an statt@riseup.net!

Recht auf Stadt Jena | Erfurt für Alle | Raumstation Weimar

„Zusammen mehr erreichen!“ – Artikel in der aktuellen MobBil

Lärmkundgebung gegen Verdrängung am 21.12.17 vor dem Sitz der Engelmann-Verwaltung

Den folgenden Artikel haben wir in der aktuellen Zeitung vom MobB e.V. veröffentlicht. Wir beschreiben darin die Idee von unserem „Miettreff“ und die längst schon überfällige Entstehung von Mieter*innenprotest in Jena. Viel Spaß und Inspiration beim Lesen!

Gesamte Ausgabe der „MobBil“

Artikel als PDF

Zusammen mehr erreichen!

Im Juli 2018 startet in Jena der „Miettreff“. Dort wollen wir uns als Mieter*innen über Probleme austauschen, gegenseitig unterstützen – und wenn nötig Protest organisieren.

In der sogenannten Lichtstadt Jean boomt zur Zeit auch der Unmut über die aktuelle Stadtentwicklung. Kein Wunder: Wir müssen immer mehr von unserem Einkommen für die Miete ausgeben, während die Wohnungsknappheit mit hochpreisigen Neubauten und luxuriösen Eigentumswohnungen beantwortet wird, Die steigenden Mieten werden für immer mehr Menschen zum Armutsrisiko und das Wohnen in zentralen Stadtteilen ist schon längst zum Exklusivrecht für Besserverdiendende geworden. Entmietung und Verdrängung sind in Jena keine Seltenheit. Vor diesem Hintergrund stellte sich schon in den vergangenen Jahren die Frage: Wo bleibt eigentlich der Protest?

Mieter*innenbewegung? Es tut sich was!

Inzwischen lautet die Antwort erfreulicherweise: Protest entsteht. So haben beispielsweise am 10. März anlässlich der Jenaer Immobilienmesse 150 Menschen mit einem Aktionstag auf die Interessen von Mieter*innen aufmerksam gemacht. Unter dem Motto „Stoppt den Ausverkauf der Stadt!“ wurde in Hör- und Sichtweite zur Immobilienmesse für eine neue, nicht profit-orientierte Wohnungspolitik, für sozialen Wohnungsbau und eine „Stadt für Alle“ demonstriert. Adressiert wurden dabei sowohl Lokalpolitiker*innen, als auch die Akteur*innen auf dem Immobilienmarkt. Eine ähnliche Stoßrichtung hatte nur einen Monat später, am 07. April 2018, auch die erste thüringenweite Mietparade in Erfurt. Dem Aufruf „Keine Profite mit unserer Miete!“ folgten dort über 500 Menschen. Und ein weiteres Zeichen dafür, dass sich in Jena mietenpolitisch etwas tut: Seit einigen Monaten organisieren sich auch in Lobeda Mieter*innen von jenawohnen gegen eine anstehende Mieterhöhung. Neben regelmäßigen Treffen und dem Sammeln von Unterschriften, hat die Initative auch bereits eine Kundgebung in der Innenstadt organisiert. Es geht also voran!

Den Protest im Alltag verankern

An all diese Aktionen der vergangenen Monaten waren wir als Initiative aktiv beteiligt. Es ist jedoch auch klar, dass Demonstrationen gegen den Mietenwahnsinn und für bezahlbare und gute Wohnungen für alle allein nicht ausreichen. Vielmehr müssen wir als Mieter*innen unseren Protest auch im Alltag verankern. Kündigungen, Modernisierungsmaßnahmen, Mieterhöhungen, all diese Dinge können Instrumente der Verdrängung und Entmietung sein. Wir sollten das nicht widerspruchslos hinnehmen. Wir sollten uns gemeinsam gegen eben solche oft skrupellosen Maßnahmen von Vermieter*innen oder respektloses Verhalten von Hausverwaltungen wehren. Dieses Ziel verfolgt das „Miettreff“-Projekt unserer Initiative. Als regelmäßiger Mieter*innen-Treffpunkt für Austausch und gegenseitige Unterstützung setzt er die Idee des „STATT-Gesprächskreis“ fort, welcher bisher in den Räumen des MobB e.V. stattgefunden hat. Also, neuer Name, neuer Raum, aber nach wie vor die gleiche Idee: Zusammen können wir mehr erreichen!

Erste Erfahrungen im Kampf gegen Verdrängung

Erste Erfahrungen, wie wir als solidarische Mieter*innen auf konkrete Fälle von Verdrängung reagieren können, haben wir in den letzten Jahren bereits gesammelt. Beschäftigt hat uns insbesondere ein skandalöser Fall von Entmietung im „Alten Gut“ in Jena Zwätzen. Wir haben zunächst Briefe an die verantwortliche Hausverwaltung Engelmann geschickt. Später haben wir mit einer von der Lokalpresse begleiteten Lärmkundgebung vor dem Büro der Verwaltung auf den Fall aufmerksam gemacht (siehe Foto). Auch solidarische Begleitung und Unterstützung bei Wohnungsbegehungen durch Vertreter der Eigentümerin (eine große Immobilienfirma), Behördengängen und in weiteren stressigen Situationen gehören dazu. Als ein weiteres Mittel der Auseinandersetzung diskutieren wir zur Zeit die Möglichkeit, Mieter*innen in Objekten der entsprechenden Hausverwaltung zu kontaktieren, um sich zu vernetzen und zusammen gegen Ungerechtigkeiten zu wehren. Zufällig Mieter*in bei der Verwaltung Engelmann? Dann gern bei uns melden.

Aber auch sonst: Mieterinnen und Mieter dieser Stadt, fühlt euch zu unserem „Miettreff“ herzlich eingeladen! Unsere Treffen finden jeden ersten Mittwoch im Monat von 17:00 – 19:00 Uhr in der Bachstraße 22 statt. Wir interessieren uns für eure Berichte und Probleme.

„STATT-Probleme“ wird zu einem Miettreff

Im Juli 2018 startet in Jena der „Miettreff“. Dort wollen wir uns als MieterInnen über Probleme austauschen, gegenseitig unterstützen – und wenn nötig Protest organisieren.

Als regelmäßiger Mieter*innen-Treffpunkt für Austausch und gegenseitige Unterstützung setzt der Miettreff die Idee des „STATT-Gesprächskreis“ fort, welcher bisher in den Räumen des MobB e.V. stattgefunden hat. Also, neuer Name, neuer Raum, aber nach wie vor die gleiche Idee: Zusammen können wir mehr erreichen!

Wir versuchen, folgende Seite aktualisiert zu gestalten… https://rechtaufstadtjena.noblogs.org/miettreff/

„Recht auf Stadt“-Infostand in der Jenaer Innenstadt

Vergangenen Samstag, den 09. Juni haben wir als Initiative zusammen mit dem „Recht auf Stadt“-Arbeitskreis von Pekari in der Innenstadt einen wohnungspolitischen Infostand gemacht. Von 14:00 bis 18:00 standen wir in der Löbderstraße und haben viele frustrierende, aber auch ermutigende Gespräche mit Jenaer BürgerInnen über die aktuelle Wohnungssituation in der Stadt geführt.

Mit Flyern, Transparenten und Plakaten haben wir dabei dem wachsenden Unmut über steigende Mieten und dem Mangel an sozialem Wohnungsbau Ausdruck verliehen, sowie zu unserem im Juli startenden „Miettreff“ eingeladen. Bei diesem regelmäßigen Treffpunkt wollen wir in Zukunft Austausch und gegenseitige Unterstützung unter MieterInnen ermöglichen und wenn nötig Protest organisieren.

Die vor einigen Monaten in Lobeda gegründete Initiative von MieterInnen der jenawohnen war am Samstag ebenfalls vor Ort und mit Flyern auf ihren Protest gegen die laufenden Mieterhöhungen aufmerksam gemacht. Gemeinsam haben wir zahlreiche Unterschriften gesammelt, um über einen Einwohnerantrag die Rekommunalisierung der jenawohnen auf die Tagesordnung des Stadtrates zu bekommen.

Desweiteren haben wir am Infostand im Rahmen einer thüringenweiten Aktion orangene A2-Preisschilder verteilt. Auf diesen kann jede Person selbstständig den Anteil ihres Einkommens, der für die Miete ausgegeben werden muss, eintragen, um sie anschließend ins Fenster zu hängen. Bereits jetzt sind einige dieser Preisschilder in Jena, Weimar und Erfurt im Stadtbild präsent und machen deutlich, dass die Mietbelastungsquote bei vielen Menschen den kritischen Wert von 30% längst überschritten hat.

Der rege Informationsaustausch am Infostand hat uns darin bestätigt, dass der Unmut über steigende Mieten auch in Jena enorm ist. Unsere Forderung nach einer „Stadt für Alle“, in der Wohnraum keine Ware ist, muss in Zukunft also noch lauter werden.

Wir sehen uns auch in Zukunft auf der Straße.

Thüringenweite Preisschild-Aktion: Liegt deine Miete über 30% des Einkommens?

Eine Mietbelastungsquote über 30% des Einkommens gilt gemeinhin als problematisch; besonders für Haushalte mit geringem Einkommen, denen somit zu wenig Einkommen für die sonstige Lebensführung bleibt. Viele Menschen müssen jedoch mit einer höheren Mietbelastung auskommen. Doch wer weiß das und wie viele Menschen sind bereits davon betroffen?

Wir wollen es allen zeigen. Liegt deine/eure Miete auch über 30% des Haushaltseinkommens? Dann schneide das Preisschild aus und hänge es aus deinem Fenster! Damit alle und besonders die PolitikerInnen sehen können, wie wichtig dieses Thema ist!

DOWNLOAD Preisschild