Redebeitrag Freiraumdemo 22. Juni 2016

Hallo zusammen!

Wir freuen uns, mit euch zusammen für eine selbstbestimmte und alternative Soziokultur in Jena einzutreten! Wir verstehen uns als Teil dieser Kultur und sind ebenso wie ihr alle persönlich davon betroffen, wenn für unsere Kultur bald keine Räume mehr zur Verfügung stehen sollten.

Wir von der Gruppe „StattProbleme“ sind ein Bündnis verschiedener Leute, die gemeinsam zu Fragen der Wohnungspolitik in Jena arbeiten. Unser Ziel ist es unter anderem, von Wohnungsnot und Mietproblemen betroffenen Menschen eine Plattform für den politischen Austausch zu geben. Daher möchten wir hier dafür eintreten, den Kampf für alternative Soziokultur und bezahlbaren und lebenswerten Wohnraum als einen gemeinsamen anzusehen und unsere Kräfte zu bündeln.

Ihr alle kennt das Problem: Die Mieten in Jena sind viel zu teuer, Wohnungen sind knapp, Menschen mit geringem Einkommen werden in die Randbezirke und Vororte der Stadt verdrängt. Diese Probleme betreffen uns alle und alle Menschen, die in dieser Stadt leben. Die Suche nach bezahlbaren Wohnraum wird von den Menschen in Jena als eine der größten Herausforderungen angesehen. Die hohen Mieten sind ja leider auch ein großes Hindernis bei der Suche nach neuen soziokulturellen Freiräumen.

Statt sich dieser Probleme anzunehmen, hat sich die Politik aus dem Bereich zu weiten Teilen zurückgezogen. Die Entwicklung der Mietpreise wird dem Markt überlassen, sozialer Wohnungsbau wird kaum noch betrieben. Für den Markt sind aber die wenig kaufkräftigen Bewohner dieser Stadt nicht attraktiv genug, als dass für diese ein entsprechendes Angebot geschaffen würde. Durch das fehlende Angebot günstigen Wohnraums besteht die Gefahr, dass Menschen ohne dickes Konto mit Geflüchteten um die wenigen für sie bezahlbaren Wohnungen konkurrieren – hier wird mit dem Feuer gespielt!

Auch die Studierenden stehen als Bewerber*innen um Plätze in einer WG in Konkurrenz zu einander und müssen sich durch ewige Casting-Szenen quälen – viele von euch kennen das.

Die von der Jenaer Stadtverwaltung betriebene Stadtentwicklungspolitik geht oft an den Bedürfnissen der Bewohner vorbei. So würde ohne den Protest der Bevölkerung der Eichplatz mittlerweile mit einem weiteren Einkaufszentrum und luxuriösen Wohnungen voll gebaut sein. Dies ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie anhaltender Protest erfolgreich die Politik zum Einlenken zwingen konnte.

Bei der anstehenden Bebauung des Inselplatzes haben die engagierten Proteste der Inselbewohner und ihrer Unterstützer*innen aber leider noch nicht geholfen.

Heute findet im Rathaus – ein paar Schritten von hier – die Bürgerversammlung für das Stadtentwicklungskonzept von Jena bis zum Jahr 2030 statt. Beim offiziellen Bürgerbeteiligungsprozess ist kein Platz für Konflikte und soziale Fragen; Es wird nur das Interesse der Beteiligten berücksichtigt, also von einer Minderheit an Menschen, die sich sowieso im Leben durchsetzen können. Mit der Zustimmung von ein paar BürgerInnen kann dann die Stadtverwaltung eine vermeintlich demokratische Politik betreiben.

Die Politik der Stadtverwaltung ist in einen Kontext von Stadtentwicklungskonzepten zu setzen, die Stadt als ein Unternehmen sehen. Oberstes Ziel einer solchen Politik ist die Schaffung eines investitionsfreundlichen Klimas für die Wirtschaft, während Sozialausgaben und Gelder für öffentliche Güter gekürzt werden. Die Früchte dieser Politik kommen vor allem den Investoren zu Gute, während Kosten und Verluste vergesellschaftet werden.Wir haben Gegenpläne und wir verteidigen sie auf der Straße mit den Menschen und nicht wie am Rathaus zwischen Privilegierten, die sich den Kuchen teilen möchten.

Deshalb fragen wir: Ist das Kultur? Ist das Wohnen? Ist das Stadt? – Oder kann das weg?

Obwohl diese Probleme offensichtlich sind und auf alle Menschen in dieser Stadt einwirken, fehlt hier noch eine starke Gegenbewegung, die gegen die Missstände angeht. Während in anderen Städten wie Berlin oder Hamburg bereits breite Proteste unter dem gemeinsamen Namen „Recht auf Stadt“ auf die Beine gestellt werden und politischer Druck aufgebaut wird, bleibt es in Jena – dem „München des Ostens“ – erstaunlich ruhig. Doch das kann sich ändern!

Wohnen und Kultur sind menschliche Grundbedürfnisse, die sich gegenseitig bedingen und nicht unabhängig voneinander gesehen werden können. Kulturelle Teilhabe und der Zugang zu einer guten, bezahlbaren Wohnung sind aus gutem Grund Menschenrechte. Kultur und Wohnraum stellen öffentliche Güter dar, die zentral für unser Zusammenleben sind und deshalb nicht der „unsichtbaren Hand“ des Marktes überlassen werden dürfen!

Darum müssen wir unsere Teilhabe an diesen öffentlichen Gütern selbstbewusst einfordern und uns selber die Räume aneignen und schaffen, die wir dafür brauchen. Wir sind keine Bittsteller!

Warum erzählen wir so was auf einer Freiraum-Demo? Weil wir in diesem Punkt gemeinsam den gleichen Problemen gegenüber stehen. Wohnraum und Kultur sind öffentliche Güter, die immer stärker Verwertungsinteressen unterworfen und nach dem Prinzip der Profitmaximierung organisiert werden. Sowohl in der Kultur als auch am Wohnungsmarkt werden wir in die Rolle von Konsument*innen gedrückt, die mit kaufkräftiger Nachfrage das bestehende Angebot nutzen. Wir demonstrieren hier, weil wir selbstbestimmte und selbstorganisierte Kultur leben wollen. Doch auch in der Frage nach Wohnraum müssen wir aus unserer vereinzelten Konsumentenrolle ausbrechen und selbstbestimmt unser Recht auf Stadt und unser Recht auf guten und bezahlbaren Wohnraum einfordern.

Wir wollen ein Leben jenseits des reinen Daseins als Konsument*innen!

Gentrifidingsbums muss sterben, damit wir leben können!

Unser Kampf ist also ein gemeinsamer! Wir möchten uns mit euch gemeinsam gegen die schleichende Kommerzialisierung der Lebenswelt stellen und eigene Perspektiven des Zusammenlebens entwickeln. Wir brauchen für uns eine lebendige, alternative Soziokultur, um erfüllt und sinnhaft leben zu können. Gleichzeitig sind wir alle existenziell auf Wohnraum angewiesen. An diesem Punkt bestehen starke Anknüpfungspunkte an große Teile der Bevölkerung, die mit den gleichen Problemen konfrontiert sind. Lasst uns diesen Dialog gemeinsam führen!

Wir brauchen die Breite der Bewegung, um uns aus den derzeitig vorherrschenden Verteidigungskämpfen zu befreien und wirkliche politische Gestaltungskraft zu entwickeln. Darum sollten wir unseren Blick weiten und unsere Kräfte bündeln. Raus aus der Nische und rein ins Leben!

Lasst uns zusammen kämpfen – gegen Kapital, gegen Kommerz, gegen Verdrängung – ob beim Wohnraum oder der Kultur – oder sonstwo!

Lasst uns gemeinsam diese Stadt zum Beben bringen!

Kämpfen wir für unser Recht auf Stadt!