StattGespräche Nr.3 – Ein Bericht

Bei diesem Treffen am 18.05 hatten wir uns fest vorgenommen, uns noch einmal ausführlicher über unsere eigene Wohnsituation auszutauschen. Doch erfreulicher Weise wurden wir von zwei Student*Innen aufgesucht, die ein konkretes Anliegen in die „StattGespräche“ eingebracht haben uns so wurde der erste TOP nach hinten verschoben.

Sie bewohnen zusammen mit ihren Mitbewohner*innen eine 5-Zimmer Wohnung in Jena, die zuletzt ihre*n Eigentümer*in gewechselt hatte. Am 11.05 erreichte sie dann ein Schreiben ihrer Hausverwaltung. In diesem wurde angekündigt, dass ihr Mietvertrag in nächster Zeit gekündigt werden soll, damit die neuen Eigentümer*Innen die Wohnung selbst nutzen können. Dies widerspricht einer mündlichen Vereinbarung mit der*dem Makler*in, wonach ein Eigentümer*inwechsel eben nicht zum Zwecke des Eigenbedarfes geschehen sollte. Die WG steht nun vor dem Problem innerhalb eines ungewissen Zeitraumes eine Wohnung in vergleichbarer Größe und Miethöhe in Jena zu finden, was sich als äußerst schwierig erweisen wird. Da ihr Mietvertrag zuletzt im April neu aufgesetzt wurde, können sie nicht auf eine lange Kündigungsfrist hoffen.

Im Anschluss an die Problemschilderung begannen wir nach konkreten Lösungen zu suchen. Einerseits könne man durch persönliche Kontakte sehr wohl nach neuen Wohnobjekten suchen. Andererseits können Teilnehmer*innen der Gruppe „StattGespräche“ auch unterstützend die Gespräche mit den neuen Hausbesitzer*innen begleiten. Da es im Bundesgesetzbuch einen Paragrafen gibt, der die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen verhindern soll, hatten wir zunächst etwas Hoffnung geschöpft um genauer eine Lösung zu suchen. Die Betroffenen werden sich zudem bei „PARA Legal“, einer Rechtsberatung von Studierenden melden um erste juristische Möglichkeiten genauer auszuloten. Wir finden, dass unserem Gesprächskreis ein fachkundiger Jurist ebenfalls gut stehen könnte und haben beschlossen, ebenfalls auf die Gruppe zuzugehen und uns vorzustellen.

Nach dieser ersten größeren Diskussion hat uns ein Referent von „Wohn-Strategen“ an seinem Erfahrungsbericht über die Wohnsituation in Jena teilhaben lassen. Das Ziel einer alternativen Wohnform, wie einem Mehrgenerationen-Haus wurde konsequent über mehrere Jahre hinweg verfolgt, blieb aber leider erfolglos, auch auf Grund des Desinteresses von z.B. JenaWohnen. Zudem haben wir viel über bereits existierende oder damalig bestehende Wohnprojekte erfahren. Trotzdem gibt es einen Vorschlag, der sicherlich für einige von uns interessant ist. Durch eine Kennzeichnung an seinem Wohnort soll es möglich sein, kommunales Wohnen auch über mehrere Häuser hinweg möglich machen und einen Platz für Austausch und miteinander bieten. Zuletzt wurden wir Eingeladen an einer Rundfahrt durch Thüringen teilzunehmen um sich verschiedene Kommunen und Wohnformen anzuschauen. Wer daran Interesse hat, kann sich bei uns über statt@riseup.net oder 01577/ 1772960 melden. Vielleicht können wir ja wirklich zusammen diesen Ausflug in Angriff nehmen.

Zum Schluss wurde dann doch noch kurz über unsere eigenen Mietverträge ausgetauscht und es war sicherlich noch einmal aufbauend für bestimmte Probleme, die manche von uns an ihrer eigenen Wohnsituation plagt. Noch einmal vereint in Organisationsaufgaben beendeten wir das diesmalige „StattGespräche“ und freuen uns auf das nächste Treffen am 01.06 im Umsonstladen.

StattProbleme Nr.2 – Ein Bericht

Nachdem unser letztes Treffen vom 20. April den notwendigen Gegenprotesten zu den als Fackelmarsch getarnten neonazistischen „Feierlichkeiten“ weichen musste, saßen wir am 4. Mai nun schon zum zweiten Mal in unserem Kreis „StattGespräche“ zusammen. Ließen wir uns einen Monat zuvor noch dokumentarisch von der PAH (Forum der von Hypotheken betroffenen) inspirieren, schritten wir dieses Mal frohen Mutes selbst zur Tat. Da wir auch dieses Mal neue Gesichter begrüßen dürften, begannen wir mit einer Vorstellungsrunde. Diese fiel zugleich unserem Eifer und unserer Ungeduld zum Opfer, sodass aus ein paar kurzen Sätzen zur Person anderthalb Stunden bereichernder Informationsaustausch, zaghafte Problemschilderung und angerissene Lösungsstrategien wurden.

In der „Vorstellungsrunde“ bekam nacheinander jede Person den Raum, eigene Probleme, Kritik an der Wohnungssituation in Jena sowie darüberhinaus und bevorzugte Bewältigungsstrategien zu äußern. Schnell wurde nicht nur die Vielseitigkeit unserer Lebenslagen deutlich, reichten sie doch (in der Selbstbezeichnung) von Student*innen, über Hartz-4-Empfänger*innen, zu Selbstständigen, Unternehmer*innen und „Freischaffenden“. Ebenso unterschiedlich gestalteten sich unsere Wohnverhältnisse. Es wohnten zwar alle Anwesenden zur Miete, welches im Kontext des Jenaer Wohnungsmarktes wenig überrascht. Die Vermieter*innen / Eigentümer*innen der Wohnungen hingegen hätten kaum verschiedener sein können, was ebenso auf die Zufriedenheit der Mieter*innen zutrifft, die tendenziell in der Reihenfolge der Aufzählung abnimmt: Genoss*innenschaften, Private Vermieter*innen zum Zwecke der Altersvorsorge, Stiftungen, kommunale Wohnungsbau / -verwaltungsunternehmen und (inter)nationale Immobilienunternehmen. Deutlich wurde hier auch, dass die Vermieter*innen, die mit dem Wohneigentum keine Rendite anstreben, die stabilsten und niedrigsten Mieten aufweisen. Über das Problem der hohen Mieten hinweg, gab es leider nur sehr zögernde Bereitschaft sich über weitere Wohnungsprobleme auszutauschen, obwohl sie an der einen oder anderen Stelle nahezu nebensächlich erwähnt wurden. Hier gilt es weiter nachzuhaken, denn eines ist klar: in einer Stadt wie Jena, in der Wohnraummangel schon seit Jahren ein akutes Problem ist, werden auch Vermieter*innen nachlässiger, fahrlässiger und willkürlicher im Umgang mit ihren Mieter*innen.

Was bei der Schilderung von individuellen Wohnungsproblemen noch etwas holprig wirkte, lief bei der Problemschilderung der Wohnungssituation insgesamt wie geschmiert. So wurden zahlreiche Missstände, Fehlentwicklungen und Versäumnisse der letzten Jahre hervorgehoben. Einige bezogen sich auf die Ausrichtung der Gesellschaft selbst. So zum Beispiel der Umstand, dass es möglich ist, mit dem Grundbedürfnis Wohnen Geld zu erwirtschaften und – damit zusammenhängend -, dass die meisten Käufer*innen Häuser nur als Wertanlage erwerben. Beides ziehe die Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen und Interessen der Mieter*innen nach sich. Andere wiederum monierten die Situation direkt vor unserer Haustür. Diese hänge zwar auch mit der Gesamtgesellschaft zusammen, aber dennoch lassen sich einige Besonderheiten für Jena herausstellen. Im Zentrum stand folglich vor allem Kritik an den Versäumnissen der Stadtpolitiker*innen, denen eine Teilschuld an der aktuellen Wohnungsmisere gegeben wird. So wurde unter anderem darauf aufmerksam gemacht, dass es in Jena gängige Praxis sei, Grundstücke an die meist Bietenden zu versteigern, obwohl es durchaus möglich wäre sie nach Boden-/Verkehrswert zu veräußern. So nehme sich die Stadt – in der blinden Ausführung des Thüringer Baugesetzes – selbst die Möglichkeiten billiges Bauland zu schaffen, was zugleich die Mieten niedriger halten würde. Dass die Stadt(politik und -verwaltung) daran aber kein Interesse habe, wurde wiederum damit erklärt, dass Bauland, Grundstücke und Immobilien das „Betongold“ von Jena sei. Dies zeige sich auch daran, dass die Investitions- und Baupolitik des halbprivatisierten kommunalen Wohnungsunternehmens JenaWohnen in ausschließlich höherpreisigen Wohnraum nicht den Interessen der Stadt zuwiderlaufe. Im Gegenteil profitieren die Stadt ebenso von einem größtmöglichen Profit von JenaWohnen, erhalte sie doch Teile des jährlichen Gewinns für den eigenen Haushalt. So entstehe die sozial unverträgliche Situation, dass zahlreiche Mieter*innen aus Winzerla und Lobeda aus den dortigen Beständen von JenaWohnen den Haushalt der Stadt Jena mitfinanzieren. So gäbe es zwar Umverteilung in Jena, nur in die falsche Richtung.

Neben der Kritik an den städtischen Eliten aus Politik und Verwaltung, gab es aber auch solche an den Bewohner*innen Jenas im Allgemeinen und den Betroffenen von Wohnungsproblemen im Speziellen. So hätten die meisten Menschen trotz der Offensichtlichkeit der Fehlentwicklungen dem Treiben „der“ Politik nur zugeschaut, statt sich dagegen mittels Protesten zu wehren. Bestätigt werde dies durch die Erfahrungen im persönlichen Umfeld. So würden selbst Menschen, die aus Jena verdrängt werden oder nur hier bleiben können, indem sie nicht zumutbare Mieten und Wohnzustände erdulden, nicht aktiv werden und ihre Fälle öffentlich machen. Als Grund dafür wurden zum Einen die Scham genannt, die sich einstellt, wenn Menschen in dieser Gesellschaft die eigene Hilf- und Machtlosigkeit bewusst wird, und zum Anderen weil es in Jena keine „Lobby für die Armut“ gäbe, sondern Menschen in absoluter oder relativer Armut in Jena sogar noch „politisch tot“ gemacht werden, wenn sie von Behörden und Ämtern abhängig sind. So würden sich letztlich nur wenige gegen den Status Quo engagieren, weil sie es sich „leisten“ können, sprich die notwendigen Ressourcen haben. Genau deshalb sei es notwendig, Menschen erst einmal zusammenzubringen. Wie der Eichplatz gezeigt habe, sei es durchaus möglich, vorhandene Konflikte zu einem „Politikum“ zu machen und so Austausch abseits von etablierter Politik zu ermöglichen. Zugleich sollten die Betroffenen von Problemen aber zunächst nur als Betroffene angesprochen werden und eben nicht als Aktivist*innen, um individualisierte Probleme kollektiv zu be- und verarbeiten.

Dieses kleine Fazit aus unserer Diskussion bestärkt uns natürlich in unserem Vorhaben des Kreises „StattGespräche – Wohnen und Mieten in Jena“. Wir glauben mit der Eröffnung dieses Begegnungsraumes den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, stellen aber auch immer wieder fest, dass es nicht genug Raum zum Zusammenkommen gibt in Jena. So kam auch bei uns wieder einmal die Idee auf – neben der Basisorganisierung mit von Mietproblemen Betroffenen – auf die Entstehung eines „Soziales Zentrums“ in Jena hinzuwirken. Obwohl von diesem Vorhaben alle Anwesenden sehr angetan waren, weckte die Vorstellung doch all die individuellen Träume, wie wir unsere Stadt anders gestalten können, wurde sofort Skepsis laut, ob eine solche Doppelbelastung unsere Kapazitäten übersteigt. Dies ließ wiederum den Wunsch aufkommen, sich innerhalb von Jena besser zu vernetzen und schon bestehende Aktivitäten effizienter zusammen zuführen. Auch wenn in dieser Diskussion die verschiedenen Vorlieben und Interessen deutlich wurden so gewannen wir im selben Moment den Eindruck, dass unser Beisammensein viele kreative Ideen, unausgeschöpfte Potentiale und unerfüllte Sehnsüchte erweckt und erzeugt. Es mangelt uns also nicht an Kritik am Bestehenden, Wünschen und Vorstellungen von und zu Alternativen. So waren wir uns – egal ob nun Basisorganisierung mit Betroffenen, ob Aktivismus und Stellvertreter*innenpolitik gegenüber dem Stadtrat und der Stadtverwaltung oder ob Fokus auf das Planen von Aktionen – einig, dass es in Jena keine wirtschaftsliberale Zivilgesellschaft braucht, sondern eine echte linke (Mieter*innen)Bewegung. So endeten wir mit der Einsicht darin, erst am Anfang eines Prozesses zu stehen und gingen deswegen guter Dinge auseinander, in Vorfreude auf das nächste Treffen am 18. Mai um 18Uhr im Umsonstladen Jena.

Bundesweites Treffen stadtpolitischer Gruppen – Ein Reisebericht

Vom 22. bis 24 April fand zum zweiten Mal das bundesweite Treffen stadtpolitischer Gruppen statt. Wir fuhren als „Recht auf Stadt Jena“ nach Köln, um uns mit anderen Menschen und Gruppen über Erfahrungen, Probleme und Strategien auszutauschen. Organisiert wurde das Ganze von der Stadt-AG der „Bundeskoordination Internationalismus“ (Buko). Wie bereits im Vorjahr in Kassel war das überregionale Zusammenkommen inspirierend für unsere politische Praxis in Jena. Außerdem bestärkt es uns zu wissen, dass wir mit unserer wohnungspolitischen Situation nicht allein sind. In anderen Städten werden ähnliche Kämpfe geführt, wenn auch mit unterschiedlichen Herangehensweisen.

In parallel laufenden Workshops wurde sich in Kleingruppen über grundlegende Herangehensweisen wie Stadtteil- und Basisorganisierung, Kampagnenpolitik und Aneignung / Besetzung ausgetauscht. Hinzu kamen theoretische Workshops mit Reflexionen über den Begriff „Recht auf Stadt“. Ein besonderer Fokus lag am Wochenende aber darauf, unsere politischen Ressourcen über Abwehrkämpfe hinaus fruchtbar zu machen. Neben dem Verhindern von Zwangsräumungen, Mieterhöhungen oder dem Schutz von erkämpften Räumen wie Sozialen Zentren sollte daher auch fragend nach vorne geschaut werden: Was ist unsere gemeinsame Vision für ein „Recht auf Stadt“? Was können wir tun, um langfristig eine andere Welt nach unseren Vorstellungen zu schaffen?

Leider waren solche und andere Diskussionen sehr durch (die Erfahrungen der) Großstädte wie Hamburg und Berlin dominiert. Für die besonderen Erfahrungen abseits von den Metropolen war deshalb nur wenig Raum. Dennoch gehen wir gestärkt und voller Energie aus Wochenende hinaus. Wir haben viel aus dem Austausch über Organisierungspraktiken mitgenommen und freuen uns darauf vielleicht alsbald auch einmal Gastgeber*innen eines bundesweiten Treffen stadtpolitischer Gruppen zu sein.