Mitte Juni startete die bundesweite wohnunspolitische Offensive anlässlich der Bundestagswahl 2017 mit der Kampagne „Mietenwahnsinn stoppen!“. Recht auf Stadt Jena gehört zu den Erstunterzeichner*innen und Unterstützer*innen der Kampagne. Im Folgenden findet ihr deshalb den Aufruf mit den Forderungen. Wir erhoffen uns zwar keineswegs, dass diese Forderungen von einer der möglichen Koalitionen einfach durchs Parlament gewunken werden wird. Im Gegenteil bleiben wir selbst Vorhaben wie Rot-Rot-Grün gegenüber skeptisch. Unser Ziel ist es dennoch, den Druck auf die kommende Regierung zu erhöhen. Dieser kann aber nur von unten, von der Straße, von uns als selbstbewussten und gut organisierten Mieter*innen kommen. In dieser Hinsicht haben wir hier in Jena noch eine Menge Aufbauarbeit vor uns, der wir uns – als Recht auf Stadt-Gruppe – weiterhin mit Freude widmen werden.
Die Probleme auf dem Wohnungsmarkt sind unübersehbar: In den meisten Stadtregionen steigen die Mieten unaufhörlich; Verdrängungen durch Modernisierungsmaßnahmen sind alltäglich. Zwangsräumungen haben stark zugenommen. Renditeorientierte Vermieter*innen lassen ihre Wohnungen verkommen. Vermietungskonzerne erfinden immer neue Kostentricks. Rassistische Diskriminierung und Hartz IV-freie Innenstädte sind Normalität.
Gleichzeitig wehren sich immer mehr Mieter*innen in Initiativen und Mieter*innenvereinen. Sie protestieren und konfrontieren die Politik und Wohnungsunternehmen mit ihrer Situation. Auch die meisten Politiker*innen bezweifeln diesen Zustand nicht.
Es sollte daher längst etwas Wirksames geschehen sein. Dem ist aber nicht so. In der letzten schwarz-roten Bundesregierung gab es eine Reihe von Änderungen, die angeblich das Los der Mieter*innen und Wohnungssuchenden erleichtern sollten: Die Mietpreisbremse wirkt jedoch nicht. Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus bietet keine Antwort auf den extremen Mangel an preisgünstigen Wohnraum. Sie sichert die Gewinne der privaten Wohnungsunternehmen. In einigen Kommunen konnten Proteste Zugeständnisse durchsetzen. Aber ein Richtungswechsel hin zu einem grundlegenden Wandel der Wohnungspolitik ist nicht zu erkennen.
Wir stellen fest: Das ist viel zu wenig. Uns reicht es. Wir verlangen eine Wohnungspolitik, die an den Bedürfnissen der Bewohner*innen orientiert ist. Wohnen ist ein Menschenrecht. Unser (langfristiges) Ziel ist die Vergesellschaftung von Wohnraum – ein erster Schritt dahin ist die Schaffung eines nicht marktförmigen, nicht profitorientierten Wohnungssektors.
Wir – Mietervereine, Mieter*inneninitiativen, „Recht auf Stadt“-Netzwerke und weitere soziale Organisationen – starten am 1. Mai eine wohnungspolitische Offensive.
Wir fordern:
1. Neue Wohnungsgemeinnützigkeit
Wir fordern die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit als Alternative zur renditeorientierten Wohnungswirtschaft. Die soziale
Zweckbindung dieser Wohnungen muss dauerhaft sein und soll durch steuerliche Förderung, Privilegien bei der Grundstückvergabe, öffentliche Zuschüsse und Kredite gefördert werden.
2. Mietenanstieg stoppen!
Wir fordern eine wirksame, flächendeckende Begrenzung des Mietenanstiegs durch rechtlich verbindlich Mietspiegel, die das tatsächliche Mietenniveau aller Wohnungen abbilden durch eine verschärfte und flächendeckende Mietpreisbremse ohne Ausnahmen durch eine bundesweite Begrenzung von Mieterhöhungen auf den Inflationsausgleich durch konsequente Ahndung von unzulässigen Mietpreisüberhöhungen und Mietwucher nach § 5Wirtschaftsstrafgesetz und § 291 Strafgesetzbuch.
3. Keine Verdrängung durch Modernisierung!
Die Umlage der Modernisierungskosten auf die Miete (§559 BGB) muss abgeschafft werden.
4. Zwangsräumungen verhindern! Kündigungsschutz verbessern!
Wir fordern einen wirksamen Kündigungs- und Räumungsschutz für Mieter*innen, der die Aufweichung von Mieter*innenrechten zurücknimmt und soziale Notlagen berücksichtigt.
5. Leerstände beenden!
Wir fordern, dass die Vermietung von spekulativem Leerstand erzwungen werden kann. Instandbesetzungen müssen legalisiert werden.
6. Neuausrichtung der Bodenpolitik
Wir fordern, dass der Ausverkauf öffentlicher Liegenschaften und Wohnungsbestände gestoppt und umgekehrt wird. Öffentliche Liegenschaften müssen für Wohnen und soziale Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden.
7. Wohnungsunternehmen demokratisieren! Kollektive Mieter*innenrechte schaffen!
Wir fordern kollektive Mieter*innenrechte in allen Wohnungsunternehmen und echte Mieter*innen-Mitbestimmung im öffentlichen und gemeinnützigen Wohnungssektor.
Wir werden in unseren Wohnvierteln, auf der Straße, vor den Parlamenten wie den Zentralen der Wohnungsunternehmen und auf Fachveranstaltungen gemeinsam für diese Forderungen eintreten.
Nur politischer Druck von unten kann konkrete Verbesserungen für Mieter*innen und eine grundlegend neue Wohnungspolitik durchsetzen.
Aufruf als pdf
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