Brunch gegen Verdrängung mit Nachbarinnen und Nachbarn
Ca. 30 Menschen haben am Stadtteilbrunch teilgenommen, um sich über hohe Mieten, dreiste Vermieter und Verdrängung aus dem Viertel um die Erfurter Straße auszutauschen.
Als Anlass diente der anstehende und erzwungene Umzug des Bewohners der Erdgeschosswohnung zum 30.11.16. Dieser muss die Wohnung gegen seinen Willen verlassen, nachdem der neue Eigentümer umfassende Sanierungen ankündigte. Das Haus, in dem er wohnt, wurde im Juli 2016 zwangsversteigert. Der neue Eigentümer möchte Luxus sanieren, um das investierte Geld in Profit zu verwandeln. Dafür müssen die derzeitigen Bewohnerinnen und Bewohner zahlungskräftigeren weichen: „Trotz vorheriger Absprache mit dem neuen Besitzer und einer mündlichen Zusage bis Ende Dezember, verlieren mein Sohn und ich diesen von uns liebevoll gestalteten Lebensraum. Wenn Profite über Lebensbedürfnisse stehen, kann sich nicht geeinigt werden.“, resümiert der Bewohner der Erdgeschosswohnung.
Ihn und seinen Sohn trifft die Verdrängung zuerst. Um sich dagegen zu wehren sucht er sich Unterstützung beim Netzwerk „Recht auf Stadt“: „Es schien mir undenkbar, für bezahlbaren Wohnraum und gegen die Zerstörung meiner persönlichen Beziehungen allein zu kämpfen. Die Kommunikation mit dem Immobilienbesitzer ging mit einem Machtgefälle einher, dem ich als Betroffener alleine nicht mehr standhalten konnte.
Bei diesem fand er bei weiteren von Wohnungsproblemen Betroffenen sowie Aktivistinnen und Aktivisten ein offenes Ohr für seine Probleme: „Unser Ziel ist es, den Menschen eine Plattform zu geben, deren Interessen wenig bis gar nicht in der parteipolitischen Stadtentwicklung Berücksichtigung finden. Natürlich gehören dazu in Jena auch alle, die sich die hohen Mieten nicht mehr leisten können oder jene, die das zum Teil fahrlässige Verhalten von Hauseigentümern – und hierzu zählen leider auch vermehrt Unternehmen und Genossenschaften in öffentlicher Hand – einfach nicht mehr wortlos hinnehmen wollen.“, erläutert die Aktivistin Marie Schubert die Ziele des Netzwerkes.
Im Fall des verdrängten Bewohners der Erfurter Straße sind die Gespräche zwischen dem Netzwerk und dem Eigentümer über den Verbleib des Nutzers der Erdgeschosswohnung mittlerweile gescheitert. Im Zuge dessen wurde ein sog. „Stadtteilbrunch“ für den 26.11.16 organisiert, um auf die sich vollziehende Verdrängung im Viertel aufmerksam zu machen.
Ab 12 Uhr öffnete der Bewohner die Pforten seiner Wohnung für seine Nachbarinnen und Nachbarn. Bis 16 Uhr kamen ca. 30 Besucherinnen und Besucher. In großen und kleinen Diskussionsrunden unterhielten sie sich angeregt und teils persönlich über die Wohnungsnot in Jena. „Aber nicht ohne die politische Dimension der mangelnden Versorgung an sozialen Wohnraum außer Acht zu lassen“, fügte Marie Schubert hinzu. „Im Fall des Bewohners der Erfurter Straße 5 mussten wir uns als Netzwerk Gegenseitiger Hilfe leider zu großen Teilen den Forderungen des Eigentümers beugen. Nicht jedoch ohne heute nochmal ein kleines Zeichen gesetzt zu haben. Zudem glauben wir, dass durch Aktionen, wie dieser hier, schon erste Beziehungen zwischen Menschen entstehen. Schließlich ist es sehr wertvoll, sich als Nachbarinnen und Nachbarn besser kennenzulernen. Dabei bemerken wir oft, dass wir viele gemeinsame Interessen haben, für die es sich zu kämpfen lohnt und zwar: unabhängig, gemeinsam und solidarisch.“
Das Recht-auf-Stadt-Netzwerk trifft sich das nächste Mal am 07.12.16 um 18Uhr in den Räumlichkeiten des MobB. Unterm Markt 2, sowie am 1. und 3. Mittwoch im Monat. Interessierte sind herzlich eingeladen.